AUS DER AKTUELLEN AUSGABE:
„Um zehntausende Euro günstiger zu errichten“
Seit 2023 brauchen PV-Anlagen entlang von Autobahnen und Ferngleisen keinen Bebauungsplan mehr. Das spart enorm Zeit und Geld, so Fachanwalt Dennis Kümmel im E&M-Gespräch.
Seit Anfang 2023 ist die Errichtung von Solaranlagen auch 200 Meter entlang von Autobahnen und Fernbahntrassen „im Außenbereich zulässig“, so das novellierte Baugesetzbuch. Im E&M-Gespräch erläutert der Anwalt Dennis Kümmel, welche Erleichterung das für den PV-Zubau bedeutet und welche Haken und Ösen
bleiben.
E&M: Herr Kümmel, im September 2023 war an der A7 im hessischen Eichenzell ein 14,4-MW-Solarpark eröffnet worden, an dem die Rhönenergie beteiligt ist. Der Gemeinderat hat danach sein ursprüngliches Vorhaben beerdigt, die insgesamt 300 Hektar entlang der A7, der A66 und der ICE-Strecken auf seiner Gemarkung durch einen Flächennutzungsplan auf 116 Hektar einzudampfen. Man stelle sich nicht gegen neues höherrangiges Recht, hieß es. Was besagt es denn?
Kümmel: Gemäß Buchstabe b) in Paragraf 35 Absatz 1 Nummer 8 Baugesetzbuch können Projektierer in einem 200 Meter breiten Streifen entlang von Autobahnen und von zweispurigen Fernbahnstrecken ohne Abstimmung mit den Standortgemeinden PV-Anlagen errichten. Zwar ist noch ein Bauantrag nötig, über den nach wie vor die Bauaufsicht entscheidet, aber das gemeindliche Einvernehmen fällt dabei weg. Die Gemeinden haben in den privilegierten Flächen keinen Grund mehr, Bebauungspläne aufzustellen, ohne die sonst bei Freiflächen-PV gar nichts ginge.
E&M: Wie sieht es mit der vorgeschalteten Regionalplanung aus?
Kümmel: Eine Verhinderungsplanung durch Standortgemeinden über die Fortschreibung von Flächennutzungsplänen ist praktisch auch nicht mehr möglich. Denn die Gemeinden müssten der Nutzung für die Energiewende eine positive Planungsidee entgegenstellen. Was wollen sie da stattdessen festlegen? Es gibt nicht viel, was auf solche Flächen außer PV-Anlagen noch gebaut werden könnte, außer vielleicht zusätzlichen Lärmschutzwänden oder begrenzt noch einem Bauernhof.
E&M: Das bedeutet für den Projektierer?
Kümmel: Er muss sich dort im Wesentlichen nur noch mit den Flächeneigentümern einigen und für die Baustellenlogistik allenfalls mit der Autobahn GmbH und der Bahn. Mit dem Pachtvertrag in der Hand kann der Vorhabenträger den Bauantrag stellen.
E&M: Worin liegt der große Vorteil?
Kümmel: Die Dauer der Planung verkürzt sich enorm, grob geschätzt um etwa ein Jahr. Die Vorhabenträger sparen sich fünfstellige Kosten für Umweltgutachter, sie brauchen kein Planungsbüro mehr. Das ist eine große Erleichterung.
E&M: Wem gehören solche Randstreifen eigentlich?
Kümmel: In der Regel gehören sie Landwirten − oder den Gemeinden. Wenn eine Gemeinde der Eigentümer ist, kann sie natürlich auch jetzt nicht zu einem Pachtvertrag gezwungen werden.
E&M: Das wäre ein Anlass, die Gemeinde am Erfolg zu beteiligen. Hierzu erlaubt das Erneuerbare-Energien-Gesetz schon seit 2021 eine freiwillige Abgabe von 0,2 Cent pro Kilowattstunde auf den eingespeisten Solarstrom.
Kümmel: Die Sache hat gerade bei den neu privilegierten Flächen einen Haken, denn solche Zuwendungsvereinbarungen mit Gemeinden dürfen laut Paragraf 6 EEG ‚nicht vor dem Beschluss des Bebauungsplans für die Fläche zur Errichtung der Anlage‘ geschlossen werden. Nun wird es aber keinen Bebauungsplan mehr geben. Eine einfache Möglichkeit, die Kommune trotzdem am Stromertrag zu beteiligen, wäre, mit ihr einen städtebaulichen Vorvertrag abzuschließen, der auch die Streifen in 200 bis 500 Metern Entfernung abdeckt, die nur EEG-rechtlich privilegiert sind.
E&M: RWE Renewables hat kürzlich bekannt gegeben, systematisch nach geeigneten Flächen in den 200 Meter breiten Randstreifen zu suchen – auch ein Hinweis für deren gestiegene Attraktivität. Ist jetzt alles so einfach, wie es sein sollte?
Kümmel: Es gibt noch zwei Flaschenhälse. Der erste sind die Ausschreibungen für die Marktprämie.
E&M: Man könnte auch subventionsfrei loslegen.
Kümmel: Ja, aber fast alle Projektierer nehmen nach meiner Erfahrung an den Ausschreibungen teil. Das zweite Verzögerungsmoment ist der Netzanschluss.
E&M: Man hört allenthalben, dass Verteilnetzbetreiber keine Anschlusskapazität mehr bieten und dem Projektierer sagen, wenn er es schneller haben wolle, müsse er selbst ein Trafohäuschen bauen.
Kümmel: Das ist in meiner Beratungspraxis nicht das Hauptproblem. Wenn der vorhandene Netzanschluss ausreicht und in der Nähe ist, dauert es über den Daumen gepeilt nur einen Monat. Auch ein Trafohäuschen selbst wäre schnell errichtet, auch wenn es immer wieder Lieferprobleme gibt. Aber vorher sind im Einzelfall artenschutzrechtliche Prüfungen nötig. Diese können durchaus ein Jahr dauern.
E&M: Herr Kümmel, im September 2023 war an der A7 im hessischen Eichenzell ein 14,4-MW-Solarpark eröffnet worden, an dem die Rhönenergie beteiligt ist. Der Gemeinderat hat danach sein ursprüngliches Vorhaben beerdigt, die insgesamt 300 Hektar entlang der A7, der A66 und der ICE-Strecken auf seiner Gemarkung durch einen Flächennutzungsplan auf 116 Hektar einzudampfen. Man stelle sich nicht gegen neues höherrangiges Recht, hieß es. Was besagt es denn?
Kümmel: Gemäß Buchstabe b) in Paragraf 35 Absatz 1 Nummer 8 Baugesetzbuch können Projektierer in einem 200 Meter breiten Streifen entlang von Autobahnen und von zweispurigen Fernbahnstrecken ohne Abstimmung mit den Standortgemeinden PV-Anlagen errichten. Zwar ist noch ein Bauantrag nötig, über den nach wie vor die Bauaufsicht entscheidet, aber das gemeindliche Einvernehmen fällt dabei weg. Die Gemeinden haben in den privilegierten Flächen keinen Grund mehr, Bebauungspläne aufzustellen, ohne die sonst bei Freiflächen-PV gar nichts ginge.
Zur Person:
Dennis Kümmel ist Fachanwalt für Verwaltungsrecht bei der Kanzlei FPS in Frankfurt am Main. Er berät nach eigenen Angaben
ein Dutzend Gemeinden und PV-Projektentwickler vor allem in Hessen im Planungs- und Genehmigungsrecht rund um Erneuerbaren-Vorhaben.
E&M: Wie sieht es mit der vorgeschalteten Regionalplanung aus?
Kümmel: Eine Verhinderungsplanung durch Standortgemeinden über die Fortschreibung von Flächennutzungsplänen ist praktisch auch nicht mehr möglich. Denn die Gemeinden müssten der Nutzung für die Energiewende eine positive Planungsidee entgegenstellen. Was wollen sie da stattdessen festlegen? Es gibt nicht viel, was auf solche Flächen außer PV-Anlagen noch gebaut werden könnte, außer vielleicht zusätzlichen Lärmschutzwänden oder begrenzt noch einem Bauernhof.
E&M: Das bedeutet für den Projektierer?
Kümmel: Er muss sich dort im Wesentlichen nur noch mit den Flächeneigentümern einigen und für die Baustellenlogistik allenfalls mit der Autobahn GmbH und der Bahn. Mit dem Pachtvertrag in der Hand kann der Vorhabenträger den Bauantrag stellen.
E&M: Worin liegt der große Vorteil?
Kümmel: Die Dauer der Planung verkürzt sich enorm, grob geschätzt um etwa ein Jahr. Die Vorhabenträger sparen sich fünfstellige Kosten für Umweltgutachter, sie brauchen kein Planungsbüro mehr. Das ist eine große Erleichterung.
E&M: Wem gehören solche Randstreifen eigentlich?
Kümmel: In der Regel gehören sie Landwirten − oder den Gemeinden. Wenn eine Gemeinde der Eigentümer ist, kann sie natürlich auch jetzt nicht zu einem Pachtvertrag gezwungen werden.
E&M: Das wäre ein Anlass, die Gemeinde am Erfolg zu beteiligen. Hierzu erlaubt das Erneuerbare-Energien-Gesetz schon seit 2021 eine freiwillige Abgabe von 0,2 Cent pro Kilowattstunde auf den eingespeisten Solarstrom.
Kümmel: Die Sache hat gerade bei den neu privilegierten Flächen einen Haken, denn solche Zuwendungsvereinbarungen mit Gemeinden dürfen laut Paragraf 6 EEG ‚nicht vor dem Beschluss des Bebauungsplans für die Fläche zur Errichtung der Anlage‘ geschlossen werden. Nun wird es aber keinen Bebauungsplan mehr geben. Eine einfache Möglichkeit, die Kommune trotzdem am Stromertrag zu beteiligen, wäre, mit ihr einen städtebaulichen Vorvertrag abzuschließen, der auch die Streifen in 200 bis 500 Metern Entfernung abdeckt, die nur EEG-rechtlich privilegiert sind.
E&M: RWE Renewables hat kürzlich bekannt gegeben, systematisch nach geeigneten Flächen in den 200 Meter breiten Randstreifen zu suchen – auch ein Hinweis für deren gestiegene Attraktivität. Ist jetzt alles so einfach, wie es sein sollte?
Kümmel: Es gibt noch zwei Flaschenhälse. Der erste sind die Ausschreibungen für die Marktprämie.
E&M: Man könnte auch subventionsfrei loslegen.
Kümmel: Ja, aber fast alle Projektierer nehmen nach meiner Erfahrung an den Ausschreibungen teil. Das zweite Verzögerungsmoment ist der Netzanschluss.
E&M: Man hört allenthalben, dass Verteilnetzbetreiber keine Anschlusskapazität mehr bieten und dem Projektierer sagen, wenn er es schneller haben wolle, müsse er selbst ein Trafohäuschen bauen.
Kümmel: Das ist in meiner Beratungspraxis nicht das Hauptproblem. Wenn der vorhandene Netzanschluss ausreicht und in der Nähe ist, dauert es über den Daumen gepeilt nur einen Monat. Auch ein Trafohäuschen selbst wäre schnell errichtet, auch wenn es immer wieder Lieferprobleme gibt. Aber vorher sind im Einzelfall artenschutzrechtliche Prüfungen nötig. Diese können durchaus ein Jahr dauern.
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Donnerstag, 27.06.2024, 08:18 Uhr
Donnerstag, 27.06.2024, 08:18 Uhr
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